»Bei dem brauchst du nicht Wache zu stehen, der verreckt ja doch!«
 
 
Das 1927 eingeweihte Friedrich-Ebert-Jugendheim der Arbeiterwohlfahrt in der Wernersstraße war ein lebendiges Zentrum der Dürener Arbeiterbewegung. So war es selbstverständlich, dass hier auch die Feier zum 50. Todestag von Karl Marx am 14. März 1933 stattfinden sollte. Aber dazu kam es nicht mehr.

 

Mitte März 1933 etwa wurde das Heim von SA und SS gewaltsam besetzt und umgetauft in „Schlageter-Heim“. Albert Leo Schlageter war eine jener Figuren, um die die Nazis mit großem Aufwand (und leider beträchtlichem Erfolg) immer wahnwitzigere Legenden spannen, die sie zu Märtyrern der „Bewegung“ hochstilisierten und damit zu Vorbildfiguren für weite Teile der Anhängerschaft machten.

 

Dieses Schlageter-Heim wurde in den folgenden Monaten zu einer regelrechten Zentrale des Terrors. Viele Sozialdemokraten, Gewerkschafter, vor allem aber auch Kommunisten wurden hierher verschleppt, verhört, zusammengeschlagen, gefoltert und wieder verhört. Es muss den Nazis ein sadistisches Vergnügen bereitet haben, die Vertreter der Arbeiterbewegung in ihren eigenen Räumen in der Gewalt zu haben.

 

Das jedenfalls lässt sich den Zeugenaussagen entnehmen, die anlässlich mehrerer Prozesse in der Nachkriegszeit gemacht worden sind. Angeklagt war eine Handvoll namentlich bekannter SA-Leute, von denen schließlich der ranghöchste, der SA-Obersturmführer Mundt, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Ein Angeklagter erhielt zwei Monate Gefängnis, die anderen wurden freigesprochen.

 

Diese Urteile erscheinen umso unbegreiflicher, wenn man sich die detaillierten Schilderungen der Brutalitäten in den Zeugenaussagen vor Augen hält. Die nun folgenden Ausschnitte sind repräsentativ für eine große Anzahl ähnlicher Fälle.

 

Zeuge Joachim Sch.: „Im Juli 1933 holten mich etwa zehn SA-Leute aus meiner Wohnung, schlugen und misshandelten mich und führten mich anschließend ins Schlageterheim. Kaum im SA-Heim angekommen, wurde ich erneut mit Schlägen am Kopf empfangen. Mundt gab die Anordnung zu dieser Prügelverteilung und wohnte der ganzen Szene bei und fragte mich u.a.: „Wen kassieren Sie Hund noch?“ Ich antwortete ihm: „Ich habe nichts zu kassieren.“ Nach mehrmaliger Wiederholung der gleichen Frage sagte Mundt: „Geben Sie dem rotem Lump mal die erste Auflage.“ Dann wurde ich gefasst und wurde mit Stahlruten und Karabinerhaken zerschlagen. Nach dieser Tortur habe ich noch vier Auflagen erhalten, bis ich schließlich bewusstlos war. Ferner wurde ich angespuckt und man versetzte mir einen Kinnhaken nach dem anderen.

In diesem bewusstlosen Zustand schmiss man mich unweit der Baracke auf einen Sandhaufen. Dort kam ich nach längerer Zeit zur Besinnung. Ich öffnete die Augen und sah, dass ein SA-Mann mit Karabiner bei mir Posten stand. Nach kurzer Zeit erschien ein anderer SA-Mann, ob es Mundt war, kann ich nicht sagen, und sagte: „Bei dem brauchst du nicht Posten zu stehen, der verreckt ja doch!“ Daraufhin ging der Posten zur Baracke zurück und ich kroch auf allen Vieren hinter die Baracke und flüchtete zur Arnoldsweilerstraße in ein Kohlelager. Dort verblieb ich dann unter Kohlesäcken versteckt bis abends. Im Schutz der Dunkelheit ging ich nach Lendersdorf, kühlte mein sehr entstelltes Gesicht mit essigsaurer Tonerde und fuhr am darauffolgenden Tag nach Aachen. Nach 16 Wochen waren noch immer die Spuren der Prügel sichtbar.“