»Am Tage des Abtransports meiner Eltern zum KZ durfte ich sie mit Genehmigung der Gestapo Köln besuchen. Meine Eltern, meine Schwester und Familie Lichtenstein wurden zunächst mit der Straßenbahn von Lendersdorf zum Bahnhof Düren transportiert. Vom Bahnhof Düren nach Izbica/Wierpz, Kreis Kasnistow, Distrikt Lublin, von wo mich Post erreichte bis August 1942.«
 
Die Thuirs Mühle im äußersten Südzipfel des Stadtteils Lendersdorf ist eine etwa 120 Jahre alte ehemalige Getreidemühle, von deren Komplex jetzt nur noch das Wohnhaus steht. Etwa 1939/40 wurde der Mühlenbetrieb wegen Unrentabilität aufgegeben.
In der Mühle wurden vor allem Juden aus dem südlichen Kreisgebiet zusammengefasst. Ein ehemaliger jüdischer Mitbürger aus Gey erinnert sich: „1941 wurden die jüdischen Bewohner aus Gey, Maubach und Drove lagermäßig in der Thuirs Mühle untergebracht. Meine Eltern lebten dort in einem Raum zusammen mit Carl Lichtenstein, seiner Frau und seinem Söhnchen Rudolph.
In einem anderem Raum waren Isaak Meyer, seine kranke Ehefrau Lina und Tochter Elly untergebracht. Am Tage des Abtransports meiner Eltern zum KZ durfte ich sie mit Genehmigung der Gestapo Köln besuchen.
Meine Eltern, meine Schwester und Familie Lichtenstein wurden zunächst mit der Straßenbahn von Lendersdorf zum Bahnhof Düren transportiert. Vom Bahnhof Düren nach Izbica/Wierpz, Kreis Kasnistow, Distrikt Lublin, von wo mich Post erreichte bis August 1942.“
Die Bewachung der jüdischen Gefangenen hatten örtliche SA-Angehörige übernommen, die mit geschultertem Karabiner über den Hof patrouillierten und sich, wie so viele ihrer Gesinnungsgenossen, endlich einmal im vollen Glanze der Macht sonnen konnten.
Auf der anderen Seite ist aber auch die Erinnerung noch wach an jene, die den Juden zu helfen versuchten. So weiß man von einer Familie zu berichten, die in Lendersdorf eine Bäckerei betrieb und die Juden mit Brot und anderen Lebensmitteln versorgte. Auch die Anwohner der „Eulengasse“, wie der schmale Weg zur Mühle hinunter genannt wurde, steckten den mit dem „Davidstern“ als Ausgestoßene Gekennzeichneten hin und wieder etwas zu essen zu. Denn die Versorgung der Gefangenen war schlecht, oft erhielten sie „nicht einmal einen Schluck Wasser“, wie sich eine Anwohnerin erinnert. Trotz der schlechten Ernährung müssen die arbeitsfähigen Juden unter Aufsicht Zwangsarbeit verrichten, so u.a. in der Lendersdorfer Hütte, wo sie mit Pflasterarbeiten am Schienenstrang im Werksinneren befasst werden und abends wieder in ihr Gefängnis zurückkehren.
Die Juden ahnen, dass ihnen Schlimmes bevorsteht. Und doch versuchen sie, ihr Leben in und um die Mühle so „normal“ wie möglich einzurichten. Sie nutzen die geringe Bewegungsfreiheit, die ihnen anfangs noch gewährt wird, um Möbel und andere wertvolle Sachen bei Freunden unterzubringen, für die Zeit „danach“. Sogar eine Hochzeit findet noch statt: Die Tochter des Lendersdorfer Juden Isaak Roer, Sara, heiratet einen jungen Glaubensgenossen aus der Vettweißer Gegend. Doch dann kommt der Befehl: Fertigmachen zum Abtransport. „Ins Arbeitslager“, wie es offiziell hieß. Die etwa 50 jüdischen Mitbürger, bewacht von einem Polizisten, bilden einen traurigen Zug. Manch einer raunt dem Freund, der am Straßenrand steht, noch einen letzten Gruß zu, dann führt der Weg über die Mühlenteich-Brücke zur Haltestelle der elektrischen Eisenbahn, wo ein Triebwagen mit Anhänger bereitsteht. Keiner unternimmt einen Fluchtversuch. Und so geht es ohne Aufenthalt zum Dürener Bahnhof, wo der Güterwaggon auf sie wartet.