Günter Kratz bringt die Möglichkeiten zur regulären Auswanderung vieler Juden auf den Punkt. Er beschreibt die Gespräche in der jüdischen Gemeinde in Drove in der Eifel über das Für und Wider der Auswanderung.
Ja, jeder hat die Möglichkeit gesucht. Man fuhr nach Köln, wo schon eine größere Gemeinde war. Dort konnte man Informationen erhalten. Das will aber nicht heißen, daß sie sagten: „Schreibe dahin, und dann kriegst du deine Papiere zugeschickt.“ Es gab zur damaligen Zeit Länder, da konntest du reinkommen, und die anderen Länder ließen niemand rein. Diese Information konnte man haben. Aber dann – help yourself.
Interview mit Günter Kratz, 28.7.1989, in: Kirschgens, S. 129
Frau Klüttermann [Schwester von Herrn Klüttermann, ab September 1936 Kaplan an St. Josef in Aachen] berichtet, daß sie 1933 ganz arglos in einem jüdischen Geschäft in Linnich einkauft. Sie findet darauf ihr Bild in den nächsten Tagen in der Zeitung wieder.
Derartige Maßnahmen bewirken, daß man sich gegenüber Juden zurückhielt.
Interview mit Geschwister Klüttermann, 17.5.1989, in: Kirschgens, S. 145
28.02.1933
Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat
Reichsgesetzblatt, Teil I
[23.-27.03.1933]
In der Rheinprovinz und in der Pfalz scheinen besonders die ostjüdischen Händler und Kaufleute vom Terror der SA betroffen worden zu sein. Diesen Eindruck gewinnt man auf Grund der polnischen und tschechischen Verbalnoten, die für die Zeit vom 23. bis zum 27. März über Ausschreitungen gegen jüdische Staatsangehörige dieser Länder in Moers, Düren, Essen, Düsseldorf und Duisburg-Hamborn berichten, wobei es schließlich entgegen der Instruktion des Höheren Polizeiführers West auch in Essen selbst zur Schließung jüdischer Geschäfte kam.
Düwell, S. 85
27.03.1933
Der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ an die Botschaft der USA zu Berlin, betr. „Hetzpropaganda gegen das Deutsche Reich“
[…] Es ist aber auch unseres Ermessens an der Zeit, von der unverantwortlichen Hetze abzurücken, die von sog. jüdischen Intellektuellen im Auslande gegen Deutschland unternommen wird. […]
Echo der Gegenwart Nr. 72 (3. Bl.) v. 27.3.1933, in: Lepper II, S. 1119
27.03.1933
„Telegramm“ des Präsidenten der Leonhard Tietz AG, Dr. Alfred Tietz, an die Internationale Handelskammer zu Paris, betr. ausländische „Greuelpropaganda“ gegen das Deutsche Reich
Drahtet allen Mitgliedern: Erbitten dringend dortige Presse und Oeffentlichkeit aufzuklären, daß alle Greuelmeldungen über Ausschreitungen in Deutschland lügenhaft sind. Mit allen Mitteln auf Unterlassung sinnloser Hetzen hinwirken, die unser Ansehen und die hier überall vorhandene Ruhe und Ordnung gefährden.
Echo der Gegenwart Nr. 73 (1. u. 2. Blatt) v. 28.3.1933, in: Lepper II, S. 1120
29.03.1933
Boykottaufruf der NSDAP.
Abwehrprogramm gegen die Greuelpropaganda – Samstag vormittag 10 Uhr Beginn der Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte
Dürener Zeitung, Mittwoch, 29. März 1933
29.03.1933
„Aufruf“ der Parteileitung der NSDAP, betr. den Boykott jüdischer Geschäfte, Rechtsanwälte und Ärzte [mit der detaillierten „Anordnung“ zur Durchführung der Maßnahmen]
Politisches Tageblatt Nr. 148 v. 29.3.1933, in: Lepper II, S. 1120
30.03.1933
Die Abwehr der Greuelpropaganda
Jeder tue mit; Erklärung des Reichskanzlers; Der Verein Deutscher Zeitungsverleger; Die Hapag gegen die Greuelpropaganda; Die Boykottbewegung im Reich; SA-Abwehr gegen jüdische Geschäfte; Keine Benachteiligung der Angestellten und Arbeiter; Schaufenstereinschlagen bedeutet Schädigung des deutschen Volksvermögens; Appell der deutschen Juden
Dürener Zeitung, Donnerstag, 30. März 1933
31.03.1933
Der Abwehr-Boykott
Beginn Samstag vormittag 10 Uhr – Die Anordnungen des Zentralkomitees [zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze]
Dürener Zeitung, Freitag, 31. März 1933
19.05.1933
Bericht über die „Vollsitzung der Aachener Industrie- und Handelskammer“
Der neue Präsident spricht
Ein Vortrag, überreich an nationalsozialistischem Gedankengut!
In der heutigen ersten Vollversammlung der neugewählten Kammer wurden nach Begrüßung der anwesenden Gäste, der Herren Regierungspräsident Reeder, Oberregierungsrat Fresenius, Oberbürgermeister Dr. Rombach, Dr. Fleischmann als Vertreter des Gauwirtschaftsleiters Dr. Schmidt, Köln, Kreisleiter Jentgens, Aachen, die neugewählten Mitglieder der Kammer in ihr Amt eingeführt.
Zu Mitgliedern des Präsidiums wurden gewählt: Fabrikant Leopold Peill, Düren, Präsident, Kaufmann Wilhelm Vondenbusch, Aachen, 1. stellvertretender Vorsitzender, Kaufmann Carl Besgen, Eschweiler, 2. stellvertretender Vorsitzender, Fabrikant Otto Henrich, Aachen, Beisitzer, Kaufmann Theodor Bertram, Stolberg, Beisitzer, Fabrikant Richard Talbot, Aachen, Beisitzer.
Im Anschluß hielt der neugewählte Präsident, Fabrikant Leopold Peill, Düren, folgende Ansprache, die wir wegen ihrer klaren nationalsozialistischen Gedankengänge ungekürzt veröffentlichen. Pg. Peill machte folgende Ausführungen:
[folgt die Ansprache im Wortlaut]
Westdeutsches Grenzblatt, 19. Mai 1933
16.06.1933
Volkszählung: Die Stadt hat 40.882 Einwohner, 35.637 Katholiken, 4.648 Evangelische, 358 Juden, 239 sonstige, 10.841 Haushaltungen
Geuenich, Straßennamen, S. 228
08.07.1933
Anzeigenteil Düren und Umgebung
Hohe Belohnung
In der Nacht vom 29. zum 30. Juni wurde auf meiner Weide ein Kalb abgeschlachtet. Wer Angaben machen kann, die zur Ermittlung der Täter führen, erhält Belohnung.
Meldungen an Kaspar Lothmann in Derichsweiler oder die Bezirksdirektion der Perleberger Versicherungs-Gesellschaft AG Köln, Gielbachstraße 19, Fernruf 52720.
Westdeutscher Beobachter, Samstag, 8. Juli 1933
14.07.1933
Anzeigenteil
Konkursversteigerung
Am Samstag, den 15. Juli 1933 und folgenden Tagen werden öffentlich meistbietend gegen sofortige Barzahlung im Geschäftslokal der Firma Hartoch, Düren, Wirtelstraße 34, versteigert:
1 Partie Mäntel, Wäsche, Decken, Gardinenstoffe, Nessel,
Pullover, Krawatten, Damen- und Kinderkleider,
Unterwäsche, Schürzen
beginnend am Samstagmorgen 9 Uhr.
Schreiner, Gerichtsvollzieher
Westdeutscher Beobachter, Freitag, 14. Juli 1933
17.07.1933
Querschnitt vom Tage
Der Rubbedidupp-Masseur (Itzig Levy); Jud und Jazz (Köln)
Westdeutscher Beobachter, Montag, 17. Juli 1933
29.07.1933
Aus dem Kreise Düren
Wieder ein Judenlümmel als Betrüger entlarvt (Weber, Vettweiß)
Westdeutscher Beobachter, Samstag, 29. Juli 1933
03.08.1933
Handelsregistereintragung
18. Juli 1933 A 333, Firma Leop. Lion Söhne, Düren: Max Lion ist durch den Tod aus der Gesellschaft ausgeschieden. Die offene Handelsgesellschaft ist seit dem 15. Januar 1933 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Ein Kommanditist ist in die Gesellschaft eingetreten.
Westdeutscher Beobachter, Donnerstag, 3. August 1933
04.08.1933
Düren in Zahlen
Ergebnisse der Volks-, Berufs- und Betriebszählung vom 16.6.1933 in der Stadt Düren
[danach gab es in Düren 1933 insgesamt 372 Personen mit israelitischem Religionsbekenntnis, davon in Düren-Nord 71, in Düren-Ost 47, in Düren-Süd 5 und in Stadtmitte 249, d.s. 0,9%; im Vergleich: 1925 330=0,9%]
Westdeutscher Beobachter, Freitag, 4. August 1933
09.08.1933
Handelsregistereintragung
B 51: Firma Leonhard Tietz, Köln, Aktiengesellschaft, Zweigniederlassung Düren: Durch Beschluß der Generalversammlung vom 11. Juli 1933 ist der Gesellschaftsvertrag im – 1 betr. die Firma geändert. Die Firma ist geändert in: Westdeutsche Kaufhof Aktiengesellschaft (vorm. Leonhard Tietz A.G.).
Westdeutscher Beobachter, Mittwoch, 9. August 1933
03.09.1933
Zur Geschichte der Juden im Aachener Land
Im Jahre 1804 heißt es in einer amtlichen Verfügung des Herzogs von Jülich:
„Die Juden sind, auch nach den in anderen Staaten gemachten Erfahrungen, als schädliche Mitbürger zu betrachten“
[mit Dürener Betreffen]
Heimatblätter des Regierungsbezirks Aachen (Verantwortlich: Heinrich Capellmann, Cornelimünster; erscheint jeden Sonntag); Nr. 12, 3. September 1933 (2/3 Seite)
26.09.1933
p. Rölsdorf, 26. Sept. Hier fand am Sonntag die Schlußübung der Freiw. Feuerwehr statt. […] Im Lang’schen Fabrikgelände, früher Leimfabrik Napp, fand darauf die Schlußübung statt […]. Nach der üblichen Schulübung folgte eine Alarmübung. Der besonders hergerichtete alte Teil des Fabrikgeländes war dazu wie geschaffen. […]
Zeitungsbericht unbekannter Provenienz, Slg. Kaiser
27.09.1933
Aus der Bewegung
Rassenproblem als nationalsozialistische Mission
Bedeutsame Ausführungen bei der NS-Lehrerversammlung
(Kreisleiter des NS-Lehrerbundes ist Pg. Gebhardt)
Westdeutscher Beobachter, Mittwoch, 27. September 1933
November 1933
Dr. Paul Moses, Programmatische Vorstellung des Jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr
Artikel
Dr. Paul Moses, bis 1934 Erster Vorsitzender des Kulturbundes Rhein-Ruhr, stellt in seinem Artikel Sinn und Zweck der Organisation heraus. Die materielle Unterstützung der Künstler, die seit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft aus Theater, Film, Konzerthallen und Museen verdrängt wurden, war das Hauptmotov für die im Herbst 1933 auf Initiative der Kölner Zentralstelle für Jüdische Wirtschaftshilfe erfolgte Gründung des Jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr. Jüdische Künstler sollten vor jüdischem Publikum auftreten. Der Kulturbund, der 1935 schon 5000 Mitglieder und 191 Festangestellte zählte, der bis 1934 205 Veranstaltungen, darunter viele Eigenproduktionen organisiert hatte, war ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, von dem auch die jüdische Handwerker der Region profitierten. Zum Jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr gehörten die Spielorte Aachen, Bochum, Bonn, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Krefeld, Wuppertal, nach 1934/35 auch Dortmund und Düren. […]
Mitteilungen des Jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr, Bibliothek Germania Judaica; Jüdisches Schicksal in Köln 1918-1945, S. 215
04.12.1933
Kaminbrand in Rölsdorf
Rölsdorf, 4. Dez. Am Sonntagnachmittag gegen 5 Uhr wurde die Freiwillige Feuerwehr durch das Ertönen der Brandsirene zu einem Kaminbrande gerufen. Ehe jedoch die Wehr eintraf, war schon wieder alles in Ordnung.
Es handelte sich um einen kleinen Brand in dem alten Nappschen Fabrikgebäude, welches bekanntlich durch den Kaminumsturz vor kurzer Zeit erheblich beschädigt wurde.
(Westdeutscher Beobachter?), 4. Dezember 1933, in: Materialien Johann Kaiser, FF Düren, Hefter 1933
16.12.1933
SA Männer verhüten Zimmerbrand
Langerwehe, 16. Dez. Am Donnerstagabend nach 9 Uhr bemerkte ein SA-Truppführer und ein SA-Mann auf dem Nachhauseweg von der Hauptstraße aus, wie eine[!] in der Wohnung des Inhabers des jüdischen Konfektionsgeschäftes Geschw. Kaufmann am Fenster aufgestelltes Kerzenlicht plötzlich die Fenstervorhänge erfaßte und in Brand setzte. Kurz entschlossen liefen die SA-Männer ins Haus, die Treppe hinauf und konnten die Flammen, die bereits die Holzleisten des Fensters erfaßt hatten, löschen.
(Westdeutscher Beobachter?), 16. Dezember 1933, in: Materialien Johann Kaiser, FF Düren, Hefter 1933